Logo Qualis

Der Beutelsbacher Konsens

Waage

Bei der Behandlung von politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnlichen Themen im Unterricht bietet der sogenannte „Beutelsbacher Konsens“ (hier im Wortlaut) eine Leitlinie. Der 1976 bei einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg entstandene Beutelsbacher Konsens formuliert die wesentlichen Leitprinzipien der politischen Bildung in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft.

Der Beutelsbacher Konsens beinhaltet drei Prinzipien: das Überwältigungsverbot, das Kontroversitätsgebot und die Lernenden-Orientierung. 

Zwei Videos der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen zur  „Entstehung des Beutelsbacher Konsens“ und zur Frage  „Muss politische Bildung immer neutral sein?“  geben einen ersten Überblick. 

Wichtig ist: Der Beutelsbacher Konsens gilt nicht nur für den Politikunterricht. Seine Leitprinzipien können in allen Fächern als didaktische Grundlage im Zusammenhang mit politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnlichen Themen dienen. Beispiele können in Fachkonferenzen gesammelt, besprochen und in die schulinternen Lehrpläne aufgenommen werden.

Das Überwältigungsverbot

Das Überwältigungsverbot oder Indoktrinationsverbot untersagt Lehrkräften, Lernende „im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‚Gewinnung eines selbständigen Urteils‘ zu hindern“; vielmehr sollen sich die Lernenden eine eigene Meinung bilden können. Lernende dürfen nie das Gefühl bekommen, es wäre in Bezug auf Beurteilung schädlich, eine eigene Meinung zu vertreten. 

Das Kontroversitätsgebot

Damit Lernende eine eigene Meinung entwickeln können, fordert das Kontroversitätsgebot - auch Gebot der Ausgewogenheit genannt - von Lehrkräften: „Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“

In Bezug auf wissenschaftliche Kontroversen bedeutet dies, dass es im Unterricht besprochen werden muss, wenn es zu einer Frage unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven gibt. Positionen, die in der Wissenschaft aufgrund fehlender Wissenschaftsprinzipien (wie Transparenz, Objektivität oder Überprüfbarkeit) nicht anerkannt sind oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung grundsätzlich in Frage stellen, gehören nicht dazu.

In Bezug auf politische Kontroversen bedeutet dies, dass unterschiedliche Haltungen zu einem bestimmten politischen Thema im Unterricht ausgewogen nebeneinanderstehen müssen. Den Lernenden muss dabei die Möglichkeit gegeben werden, ihre eigenen Haltungen angstfrei zu vertreten. Dies kann im Unterricht durch verschiedene Methoden geschehen – hilfreich sind zum Beispiel Rollenspiele, Podiumsdiskussionen oder „Fishbowls“. Am Ende muss es dann möglich sein, dass verschiedene Lernende zu unterschiedlichen, aber begründeten Meinungen kommen können.

Wichtig ist auch hier, dass Haltungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen, als solche benannt werden und der Verstoß altersangemessen erläutert bzw. dargestellt wird. Je nach Alter der Lerngruppe besteht auch die Möglichkeit, den Verstoß zu erörtern und bezogen auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung beurteilen zu lassen. 

Hat eine Lerngruppe augenscheinlich eine homogene Meinung zu einem Thema, fordert das Kontroversitätsgebot von der Lehrkraft ein, eine Gegenmeinung zu vertreten, um zum einen die Kontroversität des Themas zu verdeutlichen und zum anderen Lernenden, die sich der Meinung der Mehrheit nur zum Schein angeschlossen haben, Mut zu machen, sich zu äußern. Wichtig ist, dass die Lehrkraft deutlich macht, dass es sich nicht um ihre eigene Meinung handelt, sondern dass sie zur kontroversen Auseinandersetzung mit dem Thema im Sinne eines Rollenspiels eine bestimmte Position vertritt.

Die Lernenden-Orientierung

Die Konsequenz aus dem Überwältigungsverbot und dem Kontroversitätsgebot ist, dass der Lernende „in die Lage versetzt werden [muss], eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.“ 

Lehrkräfte sind also aufgefordert, Lernende auf ihre Rechte hinzuweisen und ihnen mögliche Wege zur Partizipation innerhalb und außerhalb der Schule im Sinne der drei Leitgedanken aufzuzeigen.